Im Winter 1563 / 1564 wurden die Bäume gefällt, mit denen wahrscheinlich 1564 der imposante Bauernhof am Entbach (= über dem Bach) in Nussdorf am Inn erbaut wurde. Der Hof lag etwas Abseits des frühen Dorfkernes und entging dadurch vermutlich gröberen Verwüstungen, die Nussdorf im Laufe der Jahrhunderte ereilten. Doch auch in der neueren Zeit blieben dem historischen Gebäude unsachgemäße Sanierungen erspart: einfache Holzverschalungen schützten die alten Mauern, so dass noch ungewöhnlich viel der historischen Bausubstanz erhalten geblieben ist. Allerdings haben die jahrelang aufsteigende Feuchtigkeit sowie Nitratsalze, Chlor und Sulfatanreicherungen vor allem das Mauerwerk in Mitleidenschaft gezogen. Um die Schäden zu beheben und die Substanz zu erhalten, mussten deshalb aufwändige Sanierungsarbeiten durchgeführt werden. Das ehemalige landwirtschaftliche Anwesen stand zuletzt mehrere Jahre leer und der Wirtschaftsteil wurde nach Aufgabe der Landwirtschaft schon lange nicht mehr genutzt, so dass das denkmalgeschützte Gebäude zu verfallen drohte. Erst der Mut der Bauherren und die Unterstützung durch viele qualifizierte und engagierte Handwerker verhalfen dem alten Bauernhof zu neuem Glanz.
Motivation
Die Bauherren stammen aus den Nachbargemeinden Nussdorfs und wollten ein baukulturelles Erbe am Leben erhalten. Sie waren schon viele Jahre auf der Suche nach einem geeigneten Haus, bis sie bei dem denkmalgeschützten Bauernhof am Entbach fündig wurden. Zunächst erschien ihnen das Haus als zu „verkommen“. Nach einer genaueren Betrachtung zusammen mit Architekten, die auf Altbausanierungen spezialisiert sind, hat sich der alte Bauernhof als Ihr Wohntraum offenbart.
Sanierungsgeschichte
Planung und Partner
- Architekten Gallist Glöckner, München
- Ingenieurbüros für die Versorgungs- und Elektrotechnik (GWA, WBR, ELT)
- Gemeinde Nußdorf, Landratsamt Rosenheim
- Landesamt für Denkmalpflege
- Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) Oberbayern
Der alte Bauernhof hat einige typische Besonderheiten, die den Charme des Hofes ausmachen, aber auch besondere Anforderungen an die Sanierung stellten: das Gebäude besteht aus einem Sockel aus massiven Flusssteinmauern („Bachbummerl“) mit den Obergeschossen in Holzbauweise. Mehrere historische Handwerkstechniken, Spuren eines „Luftkanalheizungssystems“ und eine „Wasserburger Decke“ waren erkennbar, die erhalten bleiben sollten.
Die Sanierungs- und Umnutzungsmaßnahmen teilten sich in zwei Bereiche: der Renovierung des ehemaligen Wohnteils, dem „Altbaubereich“, und dem Neubau der ehemaligen Tenne nach historischem Vorbild.
- Planung
- Neben den üblichen Planungs- und Koordinationsaufgaben wurden Gutachten über die Feuchte- und Salzbelastungen, die Mauertrockenlegung und eine dendrochronologische Baualtersbestimmung durchgeführt.
- Altbau
- Grundsanierung nach historischem Vorbild.
- Unterfangen sämtlicher Innen- und Außenwände und Abdichtung gegen aufsteigende Feuchtigkeit.
- Sämtliche Balkendecken wurden ausgebaut, getrocknet, zum Teil rekonstruiert und wieder eingebaut.
- Der Innen- und Außenputz wurde erneuert und entsprechend den Empfehlungen der Gutachten als Lehmputz ausgeführt.
- Die Dachkonstruktion wurde neu aufgebaut und den energetischen Anforderungen angepasst.
- Holzkastenfenster und weitere Details wurden in enger Absprache mit der Denkmalpflege restauriert und erneuert.
- Neubau
- Die ehemalige Tenne wurde abgetragen und der Bereich komplett unterkellert.
- Rekonstruktion der westlichen Bachbummerlwand mit Kieseln aus dem Dorfbach.
- Die Tenne wurde mit der restaurierten, ursprünglichen Holz-Binder-Konstruktion wieder aufgebaut und dient nun als großzügiger Wohnbereich mit Essplatz und Küche.
- Die Westfassade erhielt einen speziell angepassten Holzlamellen-Sonnenschutz: in geschlossenem Zustand bildet er das ehemalige Erscheinungsbild der Tenne nach.
- Energetisches Konzept
- Das Gebäude wurde weitgehend energetisch optimiert.
- Neu eingebrachte Böden wurden unterseitig gedämmt, der Blockbau mit Innendämmung versehen.
- Der Neubau der ehemaligen Tenne wurde in modernster Technik erstellt.
- Einbau einer Sole-Wasser-Wärmepumpe und einer kontrollierten Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung
- Außenanlagen
- Zunächst wurde auf Anregung der Architekten der Bebauungsplan geändert, um das gesamte Ensemble authentischer gestalten zu können.
- Eine geplante Garage vor dem Hof wurde durch ein Nebengebäude ersetzt, so dass ein authentisches Gebäudegefüge entstand. Nur so blieb die schöne Vorderansicht des Hofes unverstellt.
- Die Außenanlagen und vor allem der Bauerngarten vor dem Hof wurden nach historischem Vorbild gestaltet.
Bauzeit
Die Planung begann im Frühjahr 2006; der eigentliche Baubeginn im Juli 2006. Im September 2007 waren die Sanierung und der Umbau abgeschlossen.
Finanzierung
Baukosten, Auflagen, Konditionen
- Gesamtkosten auf Anfrage
- Keine Eigenleistung
- Fördermittel und Zuschüsse durch das Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern 50.000 €
Resümee
Für so ein besonderes Projekt brauchen küntige Bauherren eine uneingeschränkte Liebe zum Haus, einen großen Geldbeutel und nicht zuletzt ein super Team, ohne das die vielen Bausteine nicht zusammen kommen.
SDL-Inform
Das Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern resümiert das Projekt so: „Durch den Einsatz der neuen Eigentümer konnte das Gebäude mit Umfeld in vorbildlicher Art und Weise in enger Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege saniert werden.“ Beigetragen haben zu der hervorragenden Sanierung auch die grundsätzliche Liebe zum Detail und die Absicht, historische Details sichtbar zu lassen. Dies hat natürlich einen immensen Aufwand bedeutet, der sich schließlich aber sehr gelohnt hat. Mit diesem Projekt wurde ein sehr altes Haus in seinem Charakter und Erscheinungsbild erhalten und dennoch energetisch auf einen sehr hohen Stand der Technik gebracht. Auch wenn die Bausumme recht hoch ist, ist der sanierte Bauernhof in der Vorgehensweise und Umsetzung ein Musterbeispiel für andere geplante Sanierungen.