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Albersrieth steckt voller Energie

Andreas Bodensteiner
Andreas Bodensteiner
© Foto: Joachim Berner
Andreas Bodensteiner hatte sein Zuhause in Albersrieth im Landkreis Neustadt an der Waldnaab bereits über zehn Jahre umweltfreundlich geheizt. Doch als 2006 ein Landwirt beginnen wollte, die Wärme seiner Biogassanlage über Leitungen an die direkten Nachbarn zu liefern, hat er sich beteiligt und seinen Pelletskessel verkauft. Nun wird er gemeinsam mit einem weiteren Familienhaus, einer KfZ-Werkstatt mit Autohaus, einer Werkstatt mit Maschinenhalle und dem Dorftreff versorgt.

Seitdem sind zwei weitere Biomasse-Wärmenetze in dem 200-Seelen-Ort realisiert worden. Das Besondere: Die Bürgerinnen und Bürger haben die Projekte selbst angestoßen und zusammen umgesetzt. Im Norden von Albersrieth liefert ein Hackschnitzelkessel seit Dezember 2008 die Wärme für vier Ein- und Mehrfamilienhäuser. Ein Jahr später ging weiter entfernt östlich davon in einem Siedlungsgebiet ebenfalls ein Hackschnitzelkessel für sieben Wohngebäude sowie eine Gewerbehalle in Betrieb. Weitere Gebäude anzuschließen hätte keinen Sinn gemacht, weil sich die Haushalte bereits regenerativ mit Holzheizungen versorgt haben. Warum es mehrere kleine Wärmenetze im Ort gibt, erklärt Bodensteiner mit den geringeren Energieverlusten. „Hier boten die dezentralen Netze einen Vorteil gegenüber einem zentralen Netz.“


Ländliche Entwicklung selbst in die Hand nehmen
Der gute Zusammenhalt der Albersriether basiert auf ihren Erfahrungen, die sie während der mittlerweile abgeschlossenen Dorferneuerung gemacht haben. Seit 2004 ist das zur Marktgemeinde Waldthurn gehörende Dorf als eingetragener Verein Dorfgemeinschaft Albersrieth e.V. organisiert, dem Bodensteiner vorsitzt. In ihm sind fast alle Haushalte vertreten. Gemeinsam entschieden sich die Albersriether zum Bau eines Dorftreffs, um das Zusammenleben in der Ortschaft zu stärken. Mit viel Eigenleistung entstand das Gemeinschaftshaus. Sie gestalteten den Dorfplatz neu und reparierten die Dorfstraße. „Die Dorferneuerung hat das Leben im Ort nachhaltig bereichert“, sagt Bodensteiner. Von den Kosten hat das Amt für Ländliche Entwicklung die Hälfte übernommen.

Engagiert sind die Dorfbewohner auch an die gemeinsame Wärmeversorgung mit Biomasse herangegangen. Als Privatinitiativen planten und realisierten sie die beiden Nahwärmenetze. Mit einem örtlichen Planungsbüro haben sie die Verträge für die Betreibergemeinschaften gestaltet und die Heizhäuser selbst gebaut. Mit Hilfsarbeiten unterstützten sie zudem die beiden beauftragten Heizungsfirmen aus dem Ort bei den Anlageninstallationen. Alle Nutzer der Anlagen sind gleichzeitig Gesellschafter der für ihren Betrieb gegründeten GbRs. Sie haben anteilsmäßig die Anlagen finanziert. Die Betriebskosten werden eins zu eins auf die Beteiligten umgelegt. Bodensteiner versichert, bei den Gesellschaften sei ausdrücklich keine Gewinnerzielung beabsichtigt.

Als Keimzelle für das große gemeinschaftliche Engagement bezeichnet er den gemeinsamen Bau einer Pflanzenkläranlage in den Jahren 1993/1994. Die Ausweisung eines Baugebiets hatte die Investition nötig gemacht. Doch anstatt auf eine konventionelle Anlage zu setzen, entschieden sich die Dorfbewohner für eine neuartige Lösung. Um die Baukosten zu senken, haben sie die Anlage selbst errichtet. Über 7.000 Stunden haben sie auf der Baustelle zugebracht. „Zwei Jahre lang ist keiner richtig in Urlaub gefahren“, erinnert sich Bodensteiner. Die Anstrengung hat sich gelohnt. Die Albersriether profitieren bis heute von den günstigsten Abwassergebühren in der Gegend. Etwas weiteres hat die gemeinsame Arbeit gebracht: „Das hat die Dorfgemeinschaft ungemein zusammengeschweißt“, sagt der Dorfvereinsvorsitzende.

Regionale Wirtschaftskraft steigern mit erneuerbaren Energien
Ihr gemeinschaftliches Engagement hat den Albersriethern einige Preise eingebracht. Seit 2012 dürfen sie sich unter anderem als Bioenergiedorf bezeichnen, als erster und bisher einziger Ort im Landkreis. Weil nicht nur etwas mehr als die Hälfte der 41 Haushalte an die drei Biomasse-Nahwärmenetze angeschlossen sind, sondern auch eine Reihe weiterer mit Wärme aus Hackschnitzeln, Pellets oder Scheitholz heizen, kann Bodensteiner von einer Versorgungsquote mit Bioenergie von 80 Prozent sprechen. Und davon, dass sich durch die Nutzung der Biomasse die regionale Wertschöpfung steigern lässt.

So produziert die Hackschnitzel ein ortsansässiger landwirtschaftlicher Lohnunternehmer. Gelagert werden sie ortsnah in einer großen Halle eines aufgelassenen Sägewerks. Anstatt den Brennstoff wie beim Heizöl über Tausende von Kilometern aus dem Nahen Osten transportieren zu müssen, beträgt die Entfernung des Hackschnitzel-Lagers zu den Verbrauchern keine zwei Kilometer. Die Vorratsbunker an den Heizanlagen der Nahwärmenetze füllt ebenfalls der Lohnunternehmer sowie Landwirte, die sich zum Teil selbst als Gesellschafter an den Projekten beteiligen.

Auch das Biogasprojekt belebt die regionale Wirtschaft. So füttert der Landwirt die Anlage für das Nahwärmenetz nicht nur mit Gras, Getreideschrot, Grünroggen und Mais von den eigenen Ackerflächen. Er bekommt zusätzlich Biomasse von benachbarten Betrieben geliefert. Gerade für Zuerwerbslandwirte hat er eine interessante Einnahmenalternative zum konventionellen Marktfruchtanbau geschaffen. Außerdem konnten die Betriebe dadurch ihre Fruchtfolgen ohne Futteranbau auflockern.

Das nächste Projekt steht schon an
Die Energieprojekte haben zu einer Sensibilisierung für den Klimawandel geführt. Darin ist sich Bodensteiner sicher. „Jeder Einzelne beschäftigt sich mit Alternativen und anderen Möglichkeiten.“ Dabei spiele auch der Gedankengang eine Rolle, dass man selbst etwas gegen die Klimaerwärmung unternehmen müsse. In Albersrieth habe sich die Ansicht durchgesetzt, dass man nicht immer auf andere warten könne, bis etwas geschehe, sondern die Dinge selbst in die Hand nehmen müsse – egal, ob es das dörfliche Leben an sich betreffe, kulturelle Veranstaltungen oder Energieprojekte. Die Albersriether jedenfalls planen bereits ihr nächstes Gemeinschaftsprojekt: einen Generationengarten direkt neben dem Dorftreff.
Joachim Berner
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